Thematisch hängen A- und B-Seite hier natürlich eng zusammen: Ain't No Justice (Ist-Zustand) und I Had A Dream (Schön-wär's-Zustand). Der Text von letzterem spielt auch mehrfach auf die berühmte Rede des Bürgerrechtlers Martin Luther King an.
«I have a dream that one day this nation will rise up and live out the true meaning of its creed: ‘We hold these truths to be self-evident: that all men are created equal.’»
Auszug aus Kings Rede [ansehen], die er beim March on Washington for Jobs and Freedom 1963 hielt.
Es ist heute übrigens gerade einmal 52 Jahre her, dass am 24. September 1957 US-Präsident Eisenhower die 101. US-Luftlandedivision nach Little Rock, Arkansas beorderte, um drei Jahre nach offizieller Aufhebung der Rassentrennung neun afro-amerikanischen Schülern erstmals den Besuch der dortigen «weißen» Central High School zu ermöglichen. Der damalige Gouverneur des Staates versuchte dies durch den Aufmarsch der Nationalgarde zu verhindern.
Erst durch Intervention von höchster Stelle wurde den als «Little Rock Nine» in die Geschichtsbücher eingegangenen Schülern zu ihrem Recht verholfen – gegen den Widerstand aufgebrachter Weißer, die vor dem Schulgebäude demonstrierten (siehe auch Wikipedia-Artikel über die «Little Rock Nine»).
Mehr über die Geschichte der Rassentrennung in den USA in einem Bayern 2 radioWissen-Podcast: America, Land of the Free – Von der Sklaverei in die Freiheit (04.04.08)
Damit stehen die Herren Long und King in einer langen Tradition von Freiheitssuchenden. Das amerikanische Freiheitssymbol schlechthin ist die zum Weltkulturerbe zählende Liberty Bell, die u.a. am 8. Juli 1776 geläutet wurde, um die Bürger Philadelphias zur Verkündigung der Unabhängigkeitserklärung zusammenzutrommeln.
Die Inschrift lautet: «Proclaim Liberty throughout all the land unto all the inhabitants thereof.» Ein kleiner Junge, der wohl in den Sommerferien von seinen Eltern zum erlebten Geschichtsunterricht genötigt wurde, rief angesichts des in Natura überraschend kleinen Glöckleins aus, was alle dachten: «What? This is it?!» Wer sie kaputt gemacht hat, ist übrigens nicht überliefert.
Nur wenige Jahre darauf überschlugen sich die Ereignisse auch in Ye Olde Europe: Französische Revolution, die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte («Les hommes naissent et demeurent libres et égaux en droits») – und Friedrich Schiller, der in diesem Jahr seinen 250. Geburtstag begeht, hält in stürmischen Zeiten seine gefeierte Antrittsvorlesung in Jena. (Und grämt sich, dass der olle Goethe immer noch nichts von ihm wissen will.)
Glocke? Schiller? Da klingelt doch was:
Fest gemauert in der Erden /
Steht die Form aus Lehm gebrannt. /
Heute muß die Glocke werden! /
Frisch, Gesellen, seid zur Hand!
Zu dieser wunderbaren Single, die 180 Jahre später auf dem Motown-Sublabel Soul Records erschienen ist, eignen sich denn als Begleitlektüre auch gut Schiller oder Die Erfindung des Deutschen Idealismus (2004) oder – ganz aktuell – Goethe und Schiller. Geschichte einer Freundschaft (2009).
Beide Bücher wurden von Rüdiger Safranski geschrieben, beide sind im Hanser Verlag erschienen – und beide sind (nicht nur im Schiller-Jahr) außerordentlich lesenswert.
Shorty Long: I Had A Dream / Ain't No Justice (1969)
Soul Records #35054 (7in) [mehr...]
«Woo hoo!»
1 Kommentare:
ich kann die safranski-hinweise nur bekräftigen. der mann schafft es meiner ansicht nach vermeintlich trockenen stoff außerordentlich spannend und lebhaft auf den philosophischen punkt zu bringen.
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